So, nun geb ich hier auch nochmal meinen Senf dazu. Zum Hintergrund nochmal kurz der Verweis auf die anderen Threads
hier und
hier; dort steht alles zur Vorgeschichte - das brauch ich hier nicht zu wiederholen.
Ich wollte hier einige Dinge zusammenschreiben und mit meinen eigenen Erfahrungswerten anreichern, um vieleicht betroffenen Schützen ein bissl helfen zu können.
1. Was ist TP und wie äußert sie sich?
DIE Targetpanik gibt es nicht. Sie äußert sich auf sehr viele verschiedene Weisen und in unterschiedlicher Stärke. Die bekanntesten Symptome wurden hier und anderswo schon oft zusammengeschrieben, daher trete ich das nicht weiter breit. In der überwiegenden Zahl der Fälle tritt einer der folgenden Fälle auf:
- Verfrühtes und unkontrollierbares Lösen, also ein Kontrollverlust über weite Teile des Schussablaufs. Ich würde das von unkontrolliertem Lösen unterscheiden - die meisten Schützen lösen ohne bewussten Impuls und das ist auch ok so! Beim unkontrollierBARen Lösen bricht der Schuss zu einem als unpassend wahrgenommenen Zeitpunkt und geht oft mit einem "Erschrecken", Verreißen oder einer anderen negativen Emotion einher).
- Der "fliegende Anker": für mich eine Unterform des unkontrollierbaren Lösens. Da man keine Kontrolle über den Schussablauf hat und der Schuss sich irgendwann von selbst Bahn bricht, zieht man selten bis gar nicht mehr zum Anker. Der Schuss wird bei 60-90% des Vollauszugs gelöst, oft je nach Tagesform unterschiedlich.
- Die Unmöglichkeit, das Ziel auf welche Weise auch immer anzuvisieren. Man bleibt meist über/neben/unter dem Ziel stehen - versucht man das Visier oder die Pfeilspitze dennoch ins Ziel zu richten, tritt das unkontrollierte Lösen auf. Dieser Zustand ist oder wird im Lauf der Zeit oft mit einer negativen Emotion verbunden - einem Gefühl von Stress, Beklemmung, Blockade... schwer in Worte zu fassen. Dies ist für die eigentlich Target "Panik": das beunruhigende Gefühl "Wenn ich den Pfeil jetzt ins Ziel richte, passiert was Schlimmes". Das kann sich so weit einschleifen, dass der ganze Schussablauf ab dem Ausrichten des Bogenarms auf das Ziel mit einem unruhigen, unguten oder wie auch immer gearteten negativen Gefühl verbunden ist.
2. Was ist mentale und was physische TP?
Interessant ist in meinen Augen v.a. die zuletzt genannte emotional-mentale Komponente. Denn viele Berichte von Schützen, die über TP berichten oder denen TP attestiert wird, gehen eher in die Richtung "schlechte Schiessgewohnheiten". Das sind nach meiner Beobachtung Fälle, in denen Turniere verhauen werden, weil der Schussablauf aufgrund unsauberen Ankerns nicht mehr stimmt. Oder wo der Schuss gelöst wird, obwohl der Schussablauf bzw. Zielvorgang noch nicht volständig ausgeführt wurde - häufig bedingt durch zu hohes bzw. zu schnell gesteigertes Zuggewicht. Diesen Fällen ist gemein, dass die Schützen fast immer davon berichten, ihnen habe eine physische Maßnahme geholfen, z.B. ein Klicker. Ich würde diese Fälle demnach als physische TP bezeichnen. Oft (aber nicht immer) stellen sie die erste oder Frühphase einer TP dar.
Im Gegensatz dazu gibt es Schützen, bei denen sämtliche empfohlenen Maßnahmen (die in aller Regel physischer Natur sind: Klicker, Back Tension Release, Wechsel auf die andere Bogenhand, Schießen auf blanke Dämpfer usw.) versagen. Das sind dann meistens die Fälle, in denen man von den Betroffenen entweder nur noch hört "Ich hab das Schießen aufgegeben" oder "Ich hab mich halt irgendwie damit arrangiert". Meine persönliche Meinung ist, dass bei diesen Schützen die TP wirklich "Kopfsache" ist, also mentaler oder präziser: psychischer Natur ist. Mit psychisch meine ich, dass es eine unterbewusste Blockade oder etwas Vergleichbares ist (ich bin kein Psychologe), weshalb physische Maßnahmen gar nicht zum Erfolg führen KÖNNEN.
Meines Erachtens ist es eminent wichtig, bei Verdacht auf oder erwiesener TP erstmal für sich selbst herauszufinden, welcher Art die TP überhaupt ist.
3. Und was hilft nun gegen TP?
Vieles ist schon im Text oben angeklungen; es kommt darauf an, in welche Richtung die TP geht. Ein Patentrezept kann und will ich nicht liefern, nur Erfahrungswerte, daher: geht in euch und überlegt: wie äußert sich die TP bei mir ganz konkret? Seit wann stelle ich das Phänomen fest - gab es ein auslösendes Ereignis? Z.B. den Wechsel auf einen anderen (neuen) Bogen oder ein besonders wichtiges Turnier, das ich spektakulär verhauen habe und seit dem ich nicht mehr richtig ankern kann?
Je nach dem kann man dann meistens erkennen, ob es "physische" oder "mentale" TP ist. Stellt der Betroffene z.B. fest, dass er letztlich seit dem letzten Wechsel der (10 lb stärkeren) Wurfarme nicht mehr ankern kann und sich das so eingeschliffen hat, dass es jetzt auch mit leichteren Bögen auftritt, könnte ein Klicker o.ä., kombiniert mit systematischem Neuaufbau des Schussablaufs helfen. Stellt man hingegen fest, dass seit diesem verhängnisvollen Turnier vor zwei Jahren, als ich trotz perfekter Vorbereitung nur im unteren Mittelfeld gelandet bin, ich den verdammten Pin nicht mehr ins Gold bringe: dann ist es vermutlich eine mentale TP, und ein Klicker/Backtension Release oder was auch immer hilft mir nicht weiter. Hier würde ich gezielt auf Dinge setzen wie autogenes Training (diverse (Bogen)schützenmagazine sind voll davon, die meisten Profischützen nutzen diese Techniken). Oder Hypnose - wenn man dafür offen und bereit ist, sich darauf einzulassen. Wie im anderen Thread erläutert ist das, wenn seriös durchgeführt, kein esoterischer Quatsch, sondern wissenschaftlich abgesichert und sehr fundiert, es klappt aber nicht, wenn man sich dagegen sperrt. Was bei mentaler TP aber in jedem Fall essentiell ist: sich nicht von Klugscheissern (wie mir :-P) den einen wahren Königsweg aufdiktieren lassen. TP ist individuell, und jeder, der DEN EINEN Weg aus der TP hinaus predigt, ist in meinen Augen ein Schwätzer. Entschuldigt die derbe Ausdrucksweise, aber mich nerven die diversen mehr oder weniger "harten" Coachings da draußen, die als m.o.w. "DAS super Mittel gegen TP" angepriesen werden, ganz gewaltig. Das geht in den meisten Fällen komplett an den individuellen Problemen der betroffenen Schützen vorbei (am schlimmsten ist in dieser Hinsicht das Buch von Thomas Sillmann. Das hat mich wirklich aufgeregt, lest das bloß nicht! Gründe gerne auf Nachfrage.)