Archers Campfire

Begegnung der dritten Art: Mein erstes mal Compound


Offline aurelium

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Neulich hatte ich Gelegenheit dazu, das erste mal einen Compound zu schießen (irgendein PSE, ist ja auch egal, ca. 50#). Diese Erfahrung des allerersten Eindrucks aus Sicht eines Recurve-Schützen wollte ich mit euch teilen. Bestimmt hat das der eine oder andere von euch schon ähnlich erlebt. Oder eben noch nie, so wie ich bis dahin.

Für mein Empfinden war das eine ziemlich geile Schießmaschine, für die der Begriff "Bogen" nicht mehr wirklich passt. Ja, extrem cool so ein brutales Gerät, aber auch verstörend: Total abruptes "viereckiges" Auszuggefühl (besonders beim sehr plötzlichen Let-off, wo es mir anfangs fast die Schulter auskugelt), extrem bequemes Halten und Zielen, so ganz ohne das Momentum der Rückenspannung. Der Ablass ist nur ein leichtes Fingerzucken. Ein dezentes "Fffflick" und der Pfeil ist gefühlt zeitgleich schon im Ziel. Treffen praktisch garantiert.

Die Rückenspannung, die ja sonst essentiell ist für den letzten Teil des Schussablaufs (und die für mich das Schießen zum körperlich wohltuenden "Sport" macht), dient hier fast nur noch dem "Aufspannen" dieses Apparats. Lange vor dem eigentlichen Schuss, der ganz in Ruhe angepeilt und (irgend wann mal) "weggeklickt" wird. Der Höhepunkt des Schussablaufs ist vom Höhepunkt der Körperspannung völlig getrennt. Das hat mich irritiert.

Ach ja, und wenn man versehentlich zu früh mit dem Finger an das Release kommt, ist nicht nur der Pfeil weg, das ist dann auch saugefährlich(!) für die Umgebung. Ist mir glücklicherweise nicht passiert, erhöht aber die Anspannung eines Neulings. Vor ungewollten Fehlern habe ich hier deutlich mehr Angst, als bei einem Recurve, wo die Kontrolle kontinuierlich und stetig fühlbar verläuft. Ist halt nur so ein kleines Hebelchen, was da an der Hand baumelt, ohne jedes Feedback zum Körper. Und das Handgelenk als solches ist ja praktisch gefühllos.

Einen Schuss abzubrechen erfordert wegen der heftigen Kraftkurve auch ganz schön Anstrengung, wenn man aus dem lockeren Let-off wieder rauskommt und plötzlich die Pferde mit einem durchgehen wollen. Wie gesagt: Respekt vor dieser Wucht.

Für mich war das eine tolle Erfahrung. Ja, es macht echt Spass. Ich empfinde es aber als eine andere Sportart, so weit weg ist es vom Timing, Körper- und Schussgefühl eines Bogens. Fast schon wie eine um 90° gedrehte Armbrust.

Wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich gerne wieder einen schießen. Das Bedürfnis mir so ein Teil zuzulegen habe ich allerdings noch lange nicht. Was ich am Bogenschießen so liebe, ist das Verschmelzen von körperlicher Spannung und Bogenspannung, dass der Höhepunkt des Schussablaufs gleichzeitig der Höhepunkt der Körperspannung ist. Man kontrolliert praktisch alles mit seinem Körper, als wäre der Bogen eine Verlängerung dessen. Ohne diese Verbindung fehlt mir was.

Ok, und hässlich finde ich die Teile auch, aber das lasse ich mal außen vor.

Wie habt ihr das erste mal Compound erlebt?
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Offline Ari

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Im Prinzip nicht viel anders!

Was mich am meisten gestört hat, war das "Loch" in dem man beim Let off irgendwie reinfällt!
Klar die Dinger haben Dampf ohne Ende, aber das ist mir einfach auch alles zu sehr technisch behaftet.

Hab´s mehrfach ausprobiert, aber das ist nicht/wird nicht meine Sache!

Ich brauch´, wie schon zuvor beschrieben, einfach das Gefühl für den Bogen und ja
die Optik...  ::)
Das muss wohl, wie so oft, jeder für sich selbst entscheiden! ;)
Wenn du den Bogen in die Hand nimmst,
der Pfeil auf der Sehne liegt, ändert sich dein Leben! Instinkte werden geweckt, längst verschollen und unterdrückt. Du spannst den Bogen zum Kreis der alles umschließt
und im Moment des Lösens freigibt. Du bist der Bogen, du bist der Pfeil, du bist das Ziel!


Offline BowLaw

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Compounds hatte ich zweimal in den Händen:
Einmal einen Onaida mit 30 oder 35 lbs, dann nochmal einen mit 50 lbs (ich selber schiesse 40lbs Recurve).
Das mit dem Onaida war schon beeindruckend.
Megaschneller Pfeilflug, kleiner feiner Bogen, fast schon "wie gewohnt".

Gekracht hat es bei dem 50 lbs Teil - und da entsprechen deine Eindrücke meinen.

Ich kann zwar 50 lbs ziehen und komme dann ins Letoff, allerdings ist das alles so "zittrig" und "unbeherrschbar", das ich das Thema Compound ad acta gelegt habe. Insbesondere das Loslassen des nicht geschossenen Pfeils ist eine Sache über die man gut - sehr gut - nachdenken und es beherrschen muss.


Offline aurelium

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Den Oneida würde ich auch gern mal testen. Der hat noch eher was von "Bogen", auch wenn die Stahlseile schon sehr rustikal anmuten. Steam Punk, irgendwie. In was für einer Klasse würde man mit dem eigentlich schießen? Compound wahrscheinlich. Da wäre man den anderen Compounds wohl technisch unterlegen?
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Offline Uller

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Ich schieße meinen Oneida blank und mit Handschuh mediteran.....wenn ich ihn mal schieße...

 ;)


Offline BowLaw

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Natürlich ist der Onaida unterlegen.
Aber hat irgendwie dein Feeling ... von einer Mausefalle -wenn ich das vergleichen müsste, nach den drei Schüssen, die ich damals gemacht habe.


testjan

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Mein allererster Compoundversuch war ein Leerschuss! Mit dem Bogen einer Mitschützin. Ich hatte verdammt viel Glück, dass es keine Schäden gab, wahrscheinlich weil das Ding nur etwas über 40# hatte. Danach habe ich jahrelang keinen mehr angefasst.

Irgendwann dann doch wieder. Aber es stimmt schon, mit dem traditionellen Bogenschießen hat das nicht mehr viel zu tun, jedenfalls nicht wenn man mit Visier schießt. Trotzdem hat es seinen Reiz und macht durchaus ziemlich viel Spaß.

Rückenspannung ist übrigens sehr wohl ein Thema, Stichwort Backtension Release...


Offline aquadrat

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Ging mir ganz ähnlich...

Das erste mal beim Hubert im Schwarzwald den 40# Übungscompound eine Stunde lang auf die Scheibe geschossen, am Abend musst ich dann mein Bierglas mit beiden Händen heben.
Rückenspannung gehört aber IMO auch beim Compound bis zum Auslösen des Release dazu, macht das Ganze kontrollierter.
Visierschießen ist, unabhängig vom Bogen, wieder ein ganz eigenes Thema, mir fehlt da was, so als würde man nur einen Teil des Hirns dazu benutzen. Egal ob ich treffe oder nicht, es lässt mich irgendwie unbefriedigt.
Spannend wurde dann das erste Mal Compound auf dem Parcours, ein PSE mit 50 oder 55# und 328fps, 5-Pin Jagdvisier. Ab dem 2 Pfeil war jeder Schuss mindestens in der 8, wenn mir der Besitzer gesagt hat welchen Pin ich nehmen muss, Entfernungen in Metern schätzen kann ich nicht. Beim ersten Mal Parcours mit Recurve / Langbogen ist man froh wenn man das Ziel überhaupt trifft...
Aber auch da, es fehlt mir was dabei, und nach dem dritten Ziel hat mich das unhandliche und steinschwere Teil echt genervt.
Die Erkenntnis für mich ist, trotzdem ich ein bekennender Speedfreak bin, brauch ich nicht.
Falls ich es jemals schaffe einen Hoyt Tribute oder einen anderen ähnlichen langen Compund für Fingerablass und ohne Zielcomputer in die Finger zu bekommen, sieht es schon wieder ganz anders aus, würde ich sofort ausprobieren wollen...

Gruß, Andi
Heavy Metal Archery
Bogen der Saison: Win&Win CX7, Uukha Irbis medium 40#, Spiga ZT, Shibuya Button, Avalon BB Gewicht je 184g Mitte und Unten, RCore "The Master", 18 Stang FF+ Endlos -> IFAA BH-R od. WA BB 32#@29,25", 68"


Offline Sabiji

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Ich habe ein 60 lbs PSE Rally zum Spielen zu Hause. Das wars dann auch. Die Präzision solcher Geräte ist schon erschreckend. Wer sich nicht halbwegs dämlich anstellt und Entfernungen gut schätzen kann, Bogen und Pfeile gut auf sich eingestellt und abgestimmt hat, für den ist zu mindestens das Aussenkill immer drin.

Aber gefunkt hat es bei mir nie.


Offline Marcus

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Ohne Rückenspannung wird es auch beim Compound nicht gut klappen. Vor allem, wenn er mit den Finger geschossen wird. Beim schießen mit Visier braucht man tatsächlich vor allem nur die linke Hirnhälfte, daher kommt wahrscheinlich auch das Gefühl, dass was fehlt. Interessant, dass ihr das so wunderbar beschreiben könnt.

By the way, das Schießen mit einem Compound ist nicht einfacher, denn eigentlich zählt nur der Innenkill und je nach Wertung sogar nur der Spot. Den gilt es, auch mit Visier und Gerödel, erst einmal zu treffen. Wenn ihr glaubt, das ist kinderleicht, startet doch mal bitte in der Klasse und bei einem Turnier wo ein zwei wirklich gute Visierschützen starten. Dann ist eure Meinung dazu vielleicht doch wieder eine andere Sache.

Ich schieße seit 20 Jahren immer wieder mal Compound blank. In letzter Zeit allerdings eher selten. Ich vergleiche das Ergebnis, wenn es keine eigene Klasse gibt, für mich immer mit den guten BHR-Schützen. Und da fällt mir fast immer auf, dass ich gegen die im Regelfall auch keinen Auftrag hätte. Ich schieß den Compound nämlich auch ohne System und ohne hast du da einfach keine Chance mehr. Zumindest nicht, wenn man wie ich, nur ein durchschnittlicher Schütze ist.

Ach ja, ganz vergessen: Mein erstes Mal Compound blank war das erste Mal, dass ich nach der Kindheit wieder mit dem Bogenschießen angefangen habe. Und weil ich ein Kind der 80er bin und mit Rambo aufgewachsen bin, war das auch ganz normal. Ich dachte damals nur wie geil, das will ich machen und das denke ich heute auch noch, egal mit welchem Bogen ich zum schießen gehe. My way is the way of the bow.
« Letzte Änderung: Oktober 02, 2018, 09:46:08 Vormittag von Marcus »


Offline carpe noctem

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  • Moin :-)
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Am Wochenende lief im TV gerade die WA Weltmeisterschaft im Compound.
Die letzten 8 lagen alle im Bereich von 145-149 von 150. Ist schon eine wahnsinnige Präzision die dahinter steckt.
Ab der zweiten 9 bist du praktisch aus dem Rennen. Und das waren die Weltmeisterschaften bei Ottonormal schaut das dann anders aus.

Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.

Thomas Morus 1478-1535

http://feldbogenclub-hamburg.de/


Offline aurelium

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Natürlich braucht man auch beim Compound eine Rückenspannung um sauber halten und lösen zu können. Die steht aber überhaupt nicht mehr im Verhältnis zu der gespeicherten Energie. Beim Recurve "fühle" ich die voraussichtliche Flugbahn im Rücken, in den Fingern und an der Bogenhand. Bei Dunkelheit könnte man ja sonst garnicht schießen ohne Visier.

Ich denke für Intuitiv-Schützen ist das Schießen zu einem großen Teil ein Nachvollziehen und Wiedererleben einer archaischen Jagd- oder Kamptechnik. Eine meditative Auseinandersetzung mit sich selbst - diese mentale Schiene halt. Man muss dazu nicht unbedingt einen "historischen" Bogen in voller Kostümierung schießen, aber es erklärt, warum schlichte Bögen so eine Anziehungskraft besitzen (wer tatsächlich jagen geht, wird wohl aus Tierliebe lieber zum Compound greifen).
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Offline sagittarius

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was die Rückenspannung angeht:

Im Gegensatz zum Recurve, wo man halt zieht bis man seine einmal ausgemessene Zugweite samt Anker erreicht hat, gibts beim Compound die sogenannte "Wall" also den Punkt, wo nach dem Letoff das Ende des Auszugs erreicht wird (und sich wirklich wie eine Wand anfühlt)

Und diese Wall muß von einem Profi auf die exakte Auszugslänge des Schützen eingestellt werden !

Für einen Tradi-Schützen einen fremden Compound auszuprobieren sagt genau NIX !!! (wenn der Spender ned zufällig grad die Körperabmessungen des Versuchers hat......)

That said, ich hab zwei von diesen Maschinen.

- einen OK Absolute 38 mit 50# einer 2x Optik (die brauch ich, weil ich inzwischen besch.... sehe) und variablem 1-Stachel-Visier, Release (ich weiß net, wie das genau heißt, jedenfalls das, wo man wie bei einem Gewehr abzieht - das andere, mit dem Daumen an der Kinnlade, Handfläche nach außen kann ich einfach ned handhaben....) - sozusagen die Schießmaschine (5-6 gpp)

- einen Oneida Kestrel, 50# mit nix außer einer Pfeilauflage, 3-under (nur am Anfang, dann 2 under...) - der Hunter (> 8gpp).
und DAS kommt dem Vergnügen eines Recurves gleich, Erschwernis - der Pfeil ist viiieeel schneller (vorbei :-) ) und haut mit einer dermassigen Brutalität rein (grad die so um die 10 gpp), daß mir die Viecher schon leid tun.

Bottom Line:
Wenn Ihr Euch wirklich mal damit auseinandersetzen wollt, versucht jemanden zu finden, der exakt Euren Auszug hat - erst dann wird sich das entsprechende "aha Erlebnis" einstellen :-)))







Offline aurelium

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Zieht man noch ein wenig über die "Wall" hinaus für zusätzliche Rückenspannung? Oder ist das nur ein "weiter geht's nicht"?
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testjan

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Es geht nicht weiter, die Cams haben Draw Stops und lassen sich nicht weiter abrollen.