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Bogenbau reine Glücksache?


Offline aurelium

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Da ich mir vorgenommen habe irgendwann im Rahmen eines Bogenbaukurses, z.B. DerBow, meinen ersten Holzbogen selbst zu bauen, hat mich die Erfahrung mit dem Tunen meines technischen Bogens heute sehr verunsichert. Teile eines Millimeters beim Tillern (eine Umdrehung) und 0,5 cm bei der Standhöhe machten den entscheidenen Unterschied:

Vorher: "scheppernde Trabi-Tür" (danke Guido) mit Handschock und Schwabbel-Rütteln
Nachher: Knackiges, sattes Peitschen, "absolutely dead in the hand" und schnurgerader Pfeilflug

Ich bin zwar froh, dass der ILF Bogen diese Möglichkeiten bietet. Ein (einteiliger) Holzbogen wird das aber bauartbedingt nicht können. Entweder der stimmt sofort, oder nicht.

Wenn das Instrument Bogen so empfindlich zu stimmen ist, wie kann ein Bogenbauer überhaupt sicherstellen, die richtigen Parameter zu treffen? Variationen in Materialbeschaffenheit, Kleberdicke/dichte, Bearbeitungstoleranzen und Wetter/Klima führen doch unweigerlich zu Schwankungen, die über die Toleranzen hinausgehen, die man mit Standhöhe, Sehne und Dämpfern korrigieren könnte.

Ist es also so, wenn man 5x genau den selben Bogen, aber an ganz verschiedenen Tagen baut, dass die sich trotzdem alle anders schießen? Ist das Endergebnis nicht auch ein Stück reine Glückssache?
Jagd- u. Blankbogen ILF, div. Mittelteile 17", 19", 21", 25" LH/RH gemischt, Kinetic Avantage, Uukha Irbis, Uukha Vx+ (35-48#)


Offline Grombard

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Deswegen bauen ja viele mit stäbchenverleimtem Bambus. Das ist halt ein sehr homogenes Material und somit sehr gut planbar, wenn man die Laminate mit einer Lehre und entsprechend guten Schleifmaschinen bearbeitet.
Wenn man den Bogen gut plant und weiß was man tut, dann führt das auch zum Erfolg.

Und falls es doch hier und da nicht 100% passt, dann kann man das je nachdem wie man Arbeitet über die Seiten, oder wenn man eh lackiert auch über den Rücken feintillern.

Wenn man also 5 mal
den selben Bogen
in der selben Form
mit den selben sorgfältig vorbereiteten Komponenten
mitder selben Sorgfalt
verleimt und anschließend exakt gleich zuschneidet
dann kommt
nah eventuellen kleinen Korrekturen
auch 5 mal
ein Bogen mit den selben Eigenschaften heraus.
« Letzte Änderung: Februar 10, 2018, 09:52:07 Nachmittag von Grombard »
irgendwas is ja immer


testjan

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Wer viel einstellen kann, tut es auch. Bögen haben aber auch schon in der Prä-ILF-Ära geradeaus geschossen. Den Tiller, das Zuggewicht, den Centershot und die Auszugscharakteristik kann man gut planen und entsprechend bauen, alles andere an Feintuning geht über Standhöhe, Pfeilmaterial, Nockpunkt, Sehne.
Selfbows sind natürlich weniger gut planbar, da das Holz zumindest teilweise vorgibt, was am Ende entsteht aber ich wüsste nicht, was man an einem gut gemachten Holzbogen später noch verstellen sollte. Wurfarme gerade, Tiller spot on, passender Griff und Zuggewicht - mehr brauchts nicht.


Offline aurelium

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Ich habe eigentlich nur Sorge, dass sich mir in so einem Kurs einen hübschen Bogen baue, der dann für mich nicht optimal passt.

Angenommen der Tiller passt nicht sofort. Wie ändert man den im Nachinein? Abschleifen? In welchen Grenzen ist das möglich?
Jagd- u. Blankbogen ILF, div. Mittelteile 17", 19", 21", 25" LH/RH gemischt, Kinetic Avantage, Uukha Irbis, Uukha Vx+ (35-48#)


Offline Grombard

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    • Bogenbau Joachin Seeliger
Du wirst keine 2cm falschen Tiller wegschleifen können.
Um einen Bogen so zu verleimen, dass man am Ende nix vernünftiges raus bekommen kann, muss man schon grobe Fehler machen.

Aber wenn ein Bogenbauer Kurse anbietet,
und das nicht gerade zum ersten mal,
dann kann man in der Regel davon ausgehen,
dass sowas nicht passieren wird.

irgendwas is ja immer


testjan

  • Gast
In einem Kurs, den ein versierter Bogenbauer leitet, ist das nahezu unmöglich, behaupte ich mal. Getillert wird einfach solange, bis der Bogen so biegt wie er muss. Das Problem bei Unerfahrenen (mir z.B.) dabei ist Ungeduld und in der Konsequenz zu viel Geschleife an der falschen Stelle, anschließendes Korrigierenmüssen und als Ergebnis ein Bogen mit 24# @28"

Den Guten unter den Bogenbauern passiert das aber nicht und die können in einem Kurs rechtzeitig die Bremse reinhauen. Also keine Bange, bei namhaften Leuten wie Matthias Klein bekommst du ziemlich sicher einen Bogen, der passt. 


Polaris

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Wie ja hier schon geschrieben wurde... wer viel zum Einstellen hat, hat auch viele potentielle Fehlerquellen... Ich möchte auch noch mal betonen, dass es seit vielen tausend Jahren Menschen gibt die Bögen bauen und das wohl überwiegend aus Holz und in einem Stück.. bzw. Kompositbögen aus Holz, Horn und Sehnen... und wie heute auch, werden auch in z. B. der Steinzeit die Bogenbauber ihr Handwerk gelernt haben... Betonung liegt auf "Lernen" Damals - wie heute wird kein "Meister vom Himmel" gefallen sein..

Wenn du einen Kurs absolvierst, wirst du die Grundlagen lernen und du wirst sehen ob du das mit der Zeit umsetzen kannst, oder eben auch nicht... Auch wenn ich schon laminierte Bögen gebaut habe, sehe ich mich eher bei reinen Holz (Self-) Bogenau .. und da gibt es genug, was sich versemmeln lässt..

Wie gesagt, es ist letztlich die Erfahrung... und die Freude daran - sich immer und immer wieder an den Bau eines Bogens zu machen... und mit der Zeit wird auch das Tillern zu einer Selbstverständlichkeit..

Eine gewisse Kreativität, die Fähigkeit "den Bogen im Holz" zu sehen und ein Projekt einzustellen, wenn sich abzeichnet, dass es nichts wird, braucht es auch...

Letztlich ist es aber so, dass du dies Alles nur raus finden kannst, wenn du dich darauf einlässt...


Offline Burkhard

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In einem Kurs, den ein versierter Bogenbauer leitet, ist das nahezu unmöglich, behaupte ich mal. Getillert wird einfach solange, bis der Bogen so biegt wie er muss. Das Problem bei Unerfahrenen (mir z.B.) dabei ist Ungeduld und in der Konsequenz zu viel Geschleife an der falschen Stelle, anschließendes Korrigierenmüssen und als Ergebnis ein Bogen mit 24# @28"

Den Guten unter den Bogenbauern passiert das aber nicht und die können in einem Kurs rechtzeitig die Bremse reinhauen. Also keine Bange, bei namhaften Leuten wie Matthias Klein bekommst du ziemlich sicher einen Bogen, der passt.

   Ungeduldig sein ist beim Bogenbau einer der Gründe warum so mancher Bogen nicht gelungen ist. war bei mir genauso. es kommt darauf an zu erkennen wann die Feinarbeit beginnt und die eher groben Werkzeuge in der Schublade verschwinden. ein Anfänger kann da etwas überfordert sein. bei einem Kurs wird der Kursleiter darauf achten das der Bogen gelingt. doch dann zuhause wenn man sich dann selbst einen zweiten Bogen bauen möchte fehlt diese Anleitung. da gilt es dann Erfahrungen sammeln und aus Fehlern lernen.
I will fight no more forever

Chief Joseph Nez Percé-Indianer 1840 - 1904


Offline aurelium

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Danke euch für die lehrreichen und ermutigenden Beträge!

Einen fertigen Bogen kann man halt ausprobieren und wenn er passt, kauft man ihn. Alles was in Auftrag gegeben oder unter Anleitung gebaut wird , bleibt mit einem kleinen Risiko verbunden. Ich sollte auf jeden Fall das Zielmodell vorher einmal geschossen haben, ich denke das versteht sich von selbst.

Dass man bei technischen Bögen so viel verstellen kann, dient allein dem Zweck verschiedene Wurfarme und Mittelteile aufeinander abstimmen zu können. Die passen nämlich fast nie "einfach so" zusammen und wenn man's mal abgestimmt hat fasst man die Schrauben am besten NICHT wieder an. Am Ende bekommt man nur einen ganz bestimmten Bogen, den man auf sich abgestimmt hat. Schöner Nebeneffekt des Tunens: Man lernt sehr anschaulich etwas über das System Bogen.

Man soll aufhören wenn's am schönsten ist, dachte ich heute, nachdem ich auf 20m alle sechs Pfeile in einen Bierdeckel versenkt hatte, einem davon die Fletche zerschossen. Plus einen siebten Pfeil ohne Federn ;D Bei so viel (eher seltenem) Glücksgefühl kam wieder der Gedanke "Schluck. Ob du das mit einem Holzbogen auch hinbekommen wirst?". Wir werden sehen ... der Weg ist das Ziel.
Jagd- u. Blankbogen ILF, div. Mittelteile 17", 19", 21", 25" LH/RH gemischt, Kinetic Avantage, Uukha Irbis, Uukha Vx+ (35-48#)


Polaris

  • Gast
Richtig.. "Der Weg ist das Ziel" und ich kann dir nur sagen, dass du mit einem (auch selber gebautem) Bogen genauso gut - oder schlecht treffen kannst und wirst, wie mit hoch modernem Gerät...

Ich kenn beide Welten... habe Jahrelang "Blankbogen" geschossen (mit Metall MT und ILF WA). Mittlerweile gefällt mir die ganz Thematik "Selbstbau" Bogen einfach besser... Ich kann mich aufs Wesentliche konzentrieren..

Du solltest es einfach mal in Ruhe angehen...


Offline Grombard

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    • Bogenbau Joachin Seeliger
Kommt halt aufs Modell an.
Mit einem kurzen Bogen mit kleinem leichtem Griff wirds natürlich schweriger.
Aber ein gut 60" langer Recurve mit großem schwerem Griff sollte nicht ungenauer sein.
irgendwas is ja immer