Archers Campfire

Training an der Kraftgrenze


Offline aurelium

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Die orthodoxe Meinung ist, dass man möglichst schwache Bögen zum Trainieren der Technik nehmen soll. Meine Erfahrung ist da unterschiedlich und das möchte ich gern zur Diskussion stellen.

Einsteiger sollten diese Regel auf jeden Fall befolgen. Weil A) die Muskeln im Rücken noch nicht vorbereitet sind, B) man sonst nie eine vernünftige Haltung lernt und C) ein Anfänger sich nicht in Ruhe konzentrieren kann, wenn ihm vor Anstrengung die Arme zittern. Nicht zuletzt verdirbt die mühsame "Arbeit" schnell den Spass an der Sache.

Für Fortgeschrittene kann das aber ganz anders aussehen. Operiert man an der Grenze seiner aktuellen Komfortzone, zwingt einen das zu einem ordentlichen Schussablauf mit Besinnung und einer sauber austarierten Kraftlinie. Rumschlampen oder aus der Hüfte ballern geht dann schlicht nicht mehr. Das ist gut. Ebenso ist es dann gut, wenn der Bogen nicht fehlerverzeihend ist, sondern gnadenlos Rückmeldung gibt.

Ich mache gerade einen Schritt von 40# auf 45# und hatte zuerst Bedenken. So einfach vom Schreibtisch aufstehen und spontan ein paar Pfeile werfen geht jetzt nicht mehr. Ich muss mich vorher ein wenig aufwärmen. Bin ich schlecht drauf, muss ich einen Schuss sogar abbrechen. Nur wenn Schussablauf, Haltung und Kraftlinie optimal sind, geht es wie von allein, fast schwerelos. Dieses gnadenlose Feedback hat mich in kürzester Zeit schon weiter gebracht: Haltung der Bogenhand und des Arms verbessert, mehr Konzentration schon vor dem Vollauszug, usw. Ich find's klasse. Mit dem schwächeren Bogen hätte ich vermutlich einfach ewig weitergeballert, ohne Neues dabei zu lernen.

Weiterin hilfreich ist der überhaupt nicht fehlerverzeihende Bogen, der vorwiegend auf Speed getuned ist. In der Kombination ist das eine tolle Herausforderung. Paradoxerweise ist mein Trefferbild am diesem Limit inwzischen besser, als vorher in der Komfortzone.

Wo ist diese Grenze der Komfortzone? Das ist für jeden wahrscheinlich individuell. Für mich ist sie da, wo es noch riesigen Spass macht und gut funktioniert, aber man nicht mehr gedankenlos einen ganzen Nachmittag nonstop schießen kann. Nach 100 Pfeilen machen sich vielleicht die Finger langsam bemerkbar. Oder man verliert Energie und braucht eine Pause. Und sie ist for mich da, wo ich für reproduzierbare Leistung komplett fokussiert und "mittig" sein muss.

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
Jagd- u. Blankbogen ILF, div. Mittelteile 17", 19", 21", 25" LH/RH gemischt, Kinetic Avantage, Uukha Irbis, Uukha Vx+ (35-48#)


Offline Dünül

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hallo erstmal
ich finde das generell viel zu viele schützen bereits am limit sind mit ihren bögen bzw. deren zuggewicht.
wenn ein 5# sprung bereits probleme macht ist der schütze doch bereits im obersten bereich seiner kraft angelangt.
ich schieße zu 95% um die 50 - 60% von meinem maximal möglichen zuggewicht.

gruß
dünül


Offline aurelium

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Ein maximal mögliches Zuggewicht gibt es ja so nicht. Die Grenze der Komfortzone ist fließend. Ich habe auch schon mal 50# geschossen, würde mir aber so einen Bogen nicht anschaffen. Vielleicht ist die Überschrift "Kraftgrenze" da nicht gut gewählt.

Probleme macht mir der 5# Schritt auch keine, falls du das meintest. Im Gegenteil, er bringt's total. Das war ja der Gedanke dieses Threads.
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Offline Rook

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Hmmmm...
Ich vermute das du einfach eine "Veränderung" bemerkst. Also ein anderes Schussverhalten was dich zu mehr Konzentration zwingt.
Das hat jetzt nicht zwingend etwas mir einer höheren Pfundzahl zu tun.
Was passiert denn wenn du mal einfach einen anderen Bogen (mal einen Langbogen) schiesst?
Da sollte der "Lerneffekt" ähnlich sein.


Offline Steve.bsfd

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die Entwicklung ist endlos, egal ob man bei der Zugstärke bleibt oder sie weiter nach oben steigert. Bei meinem Step von 40 lbs auf 45 lbs, merkte ich die ersten 3-4 Wochen, dass die Technik darunter leiden musste. Jetzt bin mit 45 lbs beim gleichem subjektivem Wohlfühl-Zuggewicht wie vorher bei 40 lbs. Jede Änderung am Bogen oder Setup führt ja zwangsläufig auch zu einer leichten Anpassung am Schussablauf bzw. Stil...
Die eigene subjektive Wahrnehmung, dass nach der Änderung einiges besser läuft, muss sich auch langfristig mit genau diesem Setup bestätigen. Wer schnell vieles ändert, experimentiert und ausprobieren möchte, unterbricht den bisher erreichten Entwicklungsprozess. Auch wenn es gerade toll läuft oder nur so scheint.
Das Erreichen der persönlichen Zugstärke und bestem Setup wird dann langfristig in sehr kleinen Schritten den Stil verbessern bzw. verfeinern.
Hoyt RX3 (FU) Turbo Bone Collector 60#
Hoyt Invicta 40 SVX (FU) black 60#
PSE NTN 33 (FU), Nock On Edition 60#
Bear Kuma (BU) 60#
60" Jackalope Diamond (green/black) 40# @ 28"
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mein Sohn:
62" Jackalope Red Beryl 30# @ 28"
PSE Carbon Air HD 35#
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Offline Ralf_HH

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Ich habe genau diese Erfahrung gemacht. Nach meinem Wiedereinstieg vor 2 Jahren folgende Änderungen: Zuggewicht von 34# auf den Fingern auf 38#, Carbonpfeile statt Alu, Pfeilgewicht 260 statt 320 gn. Standhöhe von 8,5" runter auf 8,25". Und eine Sehne aus "giftigerem" Garn.

Meine Erfahrung ist, dass ich (erst) mit diesem Setup analysierbare Fehler mache. Früher ging ein schlampig gelöster Pfeil meistens noch mit "geht so" ins Ziel, aber die Gruppen waren insgesamt auch nicht viel besser als "geht so", so dass die Verreißer häufig nicht wirklich auffielen. Heute schieße ich bei sauberem Schussablauf dichtere Gruppen, sehe aber auch sofort jeden Verreißer und weiß in der Regel, warum er ausgerissen ist. Ich merke z. B. sofort, wenn ich die Zughand zu weit außen geführt habe und dadurch mit zu wenig Rückenspannung geschossen habe. Dann liegt der Ausreißer links unten von der Gruppe und ich weiß, was los ist.

Es gibt übrigens bei Compoundern durchaus hin und wieder die Ansicht, dass eine zu üppige Zugreduktion (85 % und mehr) das Schussbild eher schlechter werden lässt. Offenbar lässt sich eine Sehne, die kaum Widerstand entgegensetzt, leichter verreißen und sie verführt möglicherweise auch zu schlampigem Schussaufbau.
Beste Grüße aus dem Norden, Ralf

Kinetic Forged Stylized 38#@26"
Greenhorn Super Comet (ca. 1988), 38#@26"


Offline aurelium

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Zitat
Offenbar lässt sich eine Sehne, die kaum Widerstand entgegensetzt, leichter verreißen
Ich habe auch das Gefühl, dass ordentlich Zug die Sehne glatter löst. Da hat die Sehne gar keine Zeit mehr sich zu drehen oder zu schwingen, weil sie praktisch sofort weg ist. Auch der Widerstand am Tab/Handschuh ist in Relation zum Zuggewicht dann kleiner.

Zitat
Ich vermute das du einfach eine "Veränderung" bemerkst. Also ein anderes Schussverhalten was dich zu mehr Konzentration zwingt.
Eine Veränderung in die andere Richtung, also zu einem leichten Bogen, hat diesen Effekt nicht. Eher schon ein Seitenwechsel. Wenn ich von LH auf RH wechsele, sind die ersten Pfeile RH meist besser als LH. Da ich aber keine identischen WA zwei mal besitze (wäre bei den Kosten auch verrückt), kann ich die Seiten nicht wirklich direkt und sofort vergleichen.

Was mich aber tatsächlich zu mehr Konzentration zwingt ist der Zwang zu einer guten Haltung, weil sonst der Bogen mit mir macht was er will und nicht ich mit ihm.
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Offline Dünül

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Ein maximal mögliches Zuggewicht gibt es ja so nicht. Die Grenze der Komfortzone ist fließend. Ich habe auch schon mal 50# geschossen, würde mir aber so einen Bogen nicht anschaffen. Vielleicht ist die Überschrift "Kraftgrenze" da nicht gut gewählt.

Probleme macht mir der 5# Schritt auch keine, falls du das meintest. Im Gegenteil, er bringt's total. Das war ja der Gedanke dieses Threads.
für mich ist die kraftgrenze der zuggewichts bereich den ich ein oder zweimal in meinen auszug bringen kann.
mir ist schon klar das sehr wenige je diesen bereich gesucht oder gefunden haben.
lg
dünül


Offline aurelium

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Ok, nur 1x oder 2x machbar würde ich schon als schwer gesundheitsgefährdend bezeichnen. Davon bin ich weit entfernt und werde das auch immer bleiben.
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Offline Dünül

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Offline roscho

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Zum Thema "Kraftgrenze" ein Link zu D. Vorderegger und seinem Elchtest:

http://www.bogensport.cc/traditionell-bogenschiessen/trad-bogenschiessen/technisches/bogenstaerke/index.php

@aurelium: ich denke aber auch das der Titel schlecht gewählt ist - von der "Kraftgrenze" bist du sicher weit entfernt.

Zum Thema Technik:
Mein DSB A Trainer (und auch ich) müssen dir da leider wiedersprechen ;)

Lösen lernt man nicht mit einem stärkeren Bogen sondern mit einem schwachen (evtl sogar einem Nullbogen).

Der starke Bogen zieht dir - wie du schon beschrieben hast - die Finger auf auch wenn du noch "fest" bist, das entspannen der Finger und das damit verbundene lockere Lösen aus der Rückenspannung lernst du nur mit schwachen Bögen.
Bogenschiessen ist einfach, aber nicht leicht ;)

"Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk,
und der rationale Verstand ein treuer Diener.
Wir haben eine Gesellschaft erschaffen,
die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat."

* Albert Einstein


Offline aurelium

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@roscho: Danke für die Erklärung, das leuchtet ein. Ein starker Bogen kann also auch eine "Krücke" sein, die es einem leichter macht.

Falls möglich kann ein Moderator gern den Titel ändern in "Training jenseits der Komfortzone"
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Offline roscho

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Zitat
Danke für die Erklärung, das leuchtet ein. Ein starker Bogen kann also auch eine "Krücke" sein, die es einem leichter macht.

JA ;) das stimmt (leider) ...

Ich denke das ist auch ein Grund für "Beschwerden" und Verletzungen die immer wieder auftreten ..

Argument ist immer: ich schiess mit dem stärkeren doch besser .. (siehe deine Argumente in Post #1)

Es würde aber auch nix dagegen sprechen sich mit einem schwächeren Bogen auch aufzuwärmen und beim Schiessen bzw wirklich beim Techniktraining voll zu konzentrieren.

Ballern ist eben KEIN Training .. es gibt leider aber auch VIEL ZUWENIG Trainer ...

Bogenschiessen ist einfach, aber nicht leicht ;)

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* Albert Einstein


Offline Absinth

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Ich habe genau diese Erfahrung gemacht. Nach meinem Wiedereinstieg vor 2 Jahren folgende Änderungen: Zuggewicht von 34# auf den Fingern auf 38#, Carbonpfeile statt Alu, Pfeilgewicht 260 statt 320 gn. Standhöhe von 8,5" runter auf 8,25". Und eine Sehne aus "giftigerem" Garn.

Meine Erfahrung ist, dass ich (erst) mit diesem Setup analysierbare Fehler mache. Früher ging ein schlampig gelöster Pfeil meistens noch mit "geht so" ins Ziel, aber die Gruppen waren insgesamt auch nicht viel besser als "geht so", so dass die Verreißer häufig nicht wirklich auffielen. Heute schieße ich bei sauberem Schussablauf dichtere Gruppen, sehe aber auch sofort jeden Verreißer und weiß in der Regel, warum er ausgerissen ist. Ich merke z. B. sofort, wenn ich die Zughand zu weit außen geführt habe und dadurch mit zu wenig Rückenspannung geschossen habe. Dann liegt der Ausreißer links unten von der Gruppe und ich weiß, was los ist.

...


Womöglich hat es ja auch etwas mit deinem Pfeilsetup früher vs. heute (9,4 gpp vs. 6,8 gpp) zu tun. Warst früher halt diesbezüglich gemütlicher unterwegs und dies kam deiner damaligen Technik zugute und umgekehrt.!?

Und heute? Nun, auf Grund deiner heute fortgeschrittenen Technik kommst du nun auch mit weniger GPP gut zu recht und außerdem, womöglich gibt ja ein leichtes Pfeilsetup auch einen deutlicheren Hinweis als ein schweres Pfeilsetup - wenn es mal bei der Technik hackt.!?

Ach ja, da wären wir dann wieder bei dieser Masseträgheit und deren eventuellen Einfluss... hatten wir doch letztens erst irgendwo...  ;-)


BG: Absinth


Offline stöckchenschubser

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  • Widerstand ist zwecklos.
Das hängt  ja mal in erster Linie davon ab, wie nah an der Grenze ich schieße.
Ist der erste Pfeil schon an der Grenze meiner Leistungsfähigkeit, wird die zweite Hälfte der Runde ein Desaster.

Fängt es erst zum Schluss an an, bin ich beim ersten Pfeil weit von der Leistungsgrenze weg.
Kann also LariFari machen, bis es so weit ist, dass ich mich 100% konzentrieren muss.

Wenn ich 80% meiner Konzentration dafür aufbringen muss, den Bogen im Anker zu halten,
fehlen mir 70% mentale Energie zum Fokussieren und den technischen Ablauf.

Mit zu starken Bögen ist es irgendwie wie mit zu steifen Pfeilen,
Irgendwie fliegt es immer, aber nur vermeintlich besser.